Deutscher – kann man das einfach werden? Gibt es überhaupt ein deutsches Volk? Wer gehört dazu? Was bedeutet es, Deutscher zu sein? Deutsch zu sprechen, zu denken, zu fühlen. Was macht es aus, Teil dieser Kultur – so man sie bejaht, was ich tue – zu sein? Manche machen sich lebenslang keinen Kopf darüber. Deutsch zu sein, ist ihnen so selbstverständlich wie das angeborene Geschlecht, obwohl – aber das ist jetzt nicht Thema.
Ich wollte es genauer wissen und hörte in mich hinein: Ja, ich bin Deutscher, durch und durch! Ich liebe Ordnung (meine Frau wird glockenhell auflachen), die Landschaften, deutsche Literatur und – jetzt kommt der intellektuelle Bruch: Bier und Fußball. Deutsche lieben den Sport und seine Helden – ganz besonders Olympia- und WM-Sieger. Bei Nationalspielen wird Hoffman von Fallerslebens (1798–1874) »Lied der Deutschen« gesungen. Gut, nicht immer textsicher: In Bern intonierte man noch die erste Strophe, die dritte schaffte es erst in nachfolgenden Generationen ins kollektive Nationalbewusstsein. Dafür sang man bei der WM 1954 inbrünstig mit wiederbelebtem Nationalstolz. Heutige Teams haben da schon Schwierigkeiten mit »blühe, deutsches Vaterland«. Durchaus ein Identitätsproblem, wie bei adoptierten Kindern. Nachvollziehbar.
Für mich war die Sache einfach: Familie, Schule, Religion, Freunde, Verein – alles deutsch. Ausländer gab’s eher selten. Flüchtlinge schon, aber die sprachen auch deutsch. Überall gab es den nationalen Bezug: Man las Luthers deutsche Bibel, nicht die lateinische der Kurie. Vielleicht ein Grund für viele Kirchenaustritte, wenn die Leute alles nachlesen und überdenken können. Egal. Es lebte nur noch eine Religion. Die andere, jüdische, war ermordet worden. Deutsch wohin man blickte: Post, Bahn, D-Mark. Am Berliner Reichstag, Sitz des schockvereinten deutschen Bundestags, prangt in großen Lettern: »Dem deutschen Volke«. Deutsche Politiker schwören, ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen und das Grundgesetz spricht in der Präambel ausdrücklich vom Deutschen Volk – und von Gott. Mit dem Begriff »Deutschland« Fremdelnde wie Robert Habeck sowie mit dem Wort »Gott« hadernde Atheisten und Andersgläubige reagieren vermutlich mit seelischem Magendrücken.
Ist Deutschland abzulehnen eigentlich schon verfassungsfeindlich? Es sei Robert Habeck verziehen. Er versteht manches halt nicht oder erst zu spät. Wer allerdings das Vorhandensein einer deutschen Kultur im Land der »Dichtenden und Denkenden« (ÖRR-Sprech) abstreitet, der sei verwiesen auf den – sieht man mal von Friesen, Bayern und Teilen der Schwäbischen Alb ab – größten gemeinsamen Nenner der Deutschen: die deutsche Sprache. Tatsächlich gibt es sie (noch), mit Restvorkommen in der Schweiz, Österreich und in Südtirol.
Zurück zu meiner Eingangsfrage: Kann man nachträglich Deutscher werden? Schwierig, schwierig – ich selbst hatte schon Maleschen damit, Pfullinger zu werden, beziehungsweise sein zu dürfen. Insofern kann ich die Probleme von Zuwanderern nachvollziehen. Nicht nur die deutsche Sprache, erst recht ihre Mundarten lassen viele ratlos zurück: »Doschdich« ist keine Aufforderung zur Körperwäsche, eine Maultasche kein nörgelnder Teenager und – nun werden Schwaben Schnappatmung kriegen – zu manchen Nudeln sagt man »Spätzle«. Womit in sä Länd keine kleinen Vögel gemeint sind.
Deutscher zu werden ist für viele ein Wunschtraum, für zu viele jedoch nur ein Lippenbekenntnis. Tatsächlich ist es aber ein Schwur: Wer dazugehören will, muss dies mit allen Konsequenzen tun – ein bisschen schwanger geht hier nicht! Am Anfang steht eine ernsthafte Selbstverpflichtung. Erst aus dieser erwächst der erhoffte Benefit. Pflicht eines jeden Deutschen ist das uneingeschränkte Bekenntnis zu unserer Republik und ihren Werten: Dazu gehören Recht, Toleranz, Gleichheit und individuelle Freizügigkeit. Wer hier gleichberechtigter Neu-Bürger werden will, für den gilt: Deutscher Staat, deutsches Recht – zuwiderlaufende Regeln bleiben dort, wo sie herkommen.
Wer Vorbehalte gegenüber deutschen Gesetzen und Werten hegt, wer sie ablehnt und als unwert abtut, wer seine Kultur und seinen Glauben über das Recht und die Gemeinschaft der Deutschen stellt, der ist hier falsch: Dies ist dann nicht sein Land! Deutsch zu sein beginnt im Herzen. Mit der Liebe zu diesem Land und zum deutschen Volk. Meine Meinung.
Anm.: Im Text findet sich ein Verweis auf Robert Habecks Einstellung zu Deutschland. Dies bezieht sich auf die von ihm öffentlich getätigte Aussage in seinem Buch »Patriotismus – Ein linkes Plädoyer« (Gütersloher Verlagshaus 2010): »Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.«