Gestern war ich mit Ella im Arbachtal, sozusagen Recherche vor Ort. Pierre Godbillon von der Initiative „Rettet das Arbachtal“ hatte mich angeschrieben und ich hatte ihm einen gemeinsamen Spaziergang vorgeschlagen. Seine Antwort steht noch aus und ich hatte gerade nichts Besseres vor. Geh ich halt zunächst mal allein mit Ella.
Auf einer kleinen Obstwiese verbrennt ein Obstbauer Reisigholz. Der Rauch zieht mich an. Beim Näherkommen erkenne ich einen lieben Bekannten: „Ja, wa maasch au du do?“ – Man kommt auf das Thema Besiedelung des Tals. Was er davon halte? „I sag dir ezert emol, wie’s i seh – …“ Er schwätzt schwäbisch, abr i schreib nach dr Schrift. Er erzählt von früher, als sich Landwirtschaft mit Streuobst noch rentiert habe. Das Streuobst, um das viele sich jetzt sorgen, wäre im letzten Herbst zum großen Teil auf dem Boden verrottet. Es kümmere sich halt keiner. „Sieh dir mal die Bäume an!“ Er deutet auf eine Streuobstwiese, die etwa 50 Meter oberhalb liegt. Mit bloßem Auge erkenne ich die vielen großen Mistelbüsche, welche die Bäume befallen haben – kein Baum ohne die Parasitengewächse. Jede Mistelgabel 1 Jahr, da kommen einige Jahre zusammen. „Dem Baum links gebe ich noch ein Jahr, den anderen auch nicht viel mehr!“ – Gleich nebenan gebe es eine Wiese, die der Gemeinde gehöre. Gedacht als Schulprojekt, bliebe auch sie seit Langem ungepflegt sich selbst überlassen. All diejenigen, die jetzt den Bestand der Streuobstwiesen reklamieren, von denen habe er noch keinen gesehen, der „sich hier den Buckel abgeschuftet hat.“ – Nicht meine Worte. Es sei halt viel Arbeit, die sich finanziell kaum lohne. Nicht einmal vom Schnapsbrennen bleibe ihm viel übrig. Er mache es trotzdem. Familientradition halt. Das Grundstück würde er gerne verkaufen, wenn auch nicht ohne Wehmut. Man merkt ihm die Resignation an. Als Buben hätten sie hier gespielt, „Lägerle“ gebaut und in den Bäumen geklettert.
Ca. eine halbe Stunde später treffe ich auf Anne mit ihrem Oskar. Oskar ist ein herrlicher, schwarzer Labradorrüde. Meine Leckerlis aus dem Hundsladen interessieren ihn mehr als unsere Hündin Ella. Anne erzählt vom Gütle ihres Vaters mit Obstsorten, die es woanders kaum noch gebe, Boskop beispielsweise. Anders als andere Streuobstwiesen sei die vom „Vaddr“ sehr gepflegt. Anne sorgt sich um die Obstvielfalt, die verloren ginge. Auch würde sie die gewohnten Zuteilungen vom Papa sehr vermissen. Nebenbei erfahre ich, dass ihr alter Herr ein verständnisvoller Mensch mit einem Herz für die „Jonge“ ist, der einer Jugendclique kostenlos einen Platz für deren Bauwagen überlassen hat. Netter Mann, denke ich, den muss ich kennenlernen.
Am Parkplatz angekommen erkennt mich – vermutlich eher Ella, die hat mittlerweile mehr Follower als ich – ein Wanderer mit Hund: “ Sie sind doch der Bürgermeisterkandidat!“ – Er sei auch in der Initiative. Ich bereite mich innerlich schon mal auf einen Monolog vor. Aber nein – man plaudert und er lädt zum Hundetreff auf freier Wiese ein, einem lockeren Freundeskreis mit Hunden.
Die Zukunft des Arbachtals beschäftigt die Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen. Bestandsschutz gegen legitimen Verbrauch. Vom ersten Schrei an sind wir Verbraucher. Es geht letztlich darum, das richtige Maß zu finden. Und alle, die den Status quo halten wollen, müssen sich klar darüber sein, dass ihr Veto auch negative Konsequenzen für Menschen hat, die dringend bezahlbaren Wohnraum benötigen. Als Kandidat könnte man jetzt versprechen, was man will – aber auch ein Bürgermeister hat im Gemeinderat nur eine Stimme. Man ist eben doch nicht König von Pfullingen, sondern primus inter pares – Erster unter Gleichen. Ich gehe mit neuen Erkenntnissen. Nachdenklich.
Wird fortgesetzt …