Manchmal … oft … nein, fast immer ist man mit seinem Text nicht zufrieden. Also feilt man, kürzt, bessert nach. So wie ich beim Thema »Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Politik«:
Ich bin aufs höchste beunruhigt! Beunruhigt, wie respektlos mit dem Wähler und seinem Willen umgegangen wird. Täuscht ein Verkäufer über wesentliche Eigenschaften einer Ware, spricht man von arglistiger Täuschung, nicht etwa von »moderner Verkaufspolitik«. Anders nach Wahlen: Versprechen nicht einzuhalten sei »moderne Politik«, so Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt. Aha, rechts blinken, links abbiegen – das schafft Vertrauen!
Verschlagen wie Winkeladvokaten änderten abgewählte Abgeordnete en passant und im neuen Deutschlandtempo mal so eben unser Grundgesetz. Auf der letzten Rille! Völlig legal – aber auch legitim? Angeblich fördert es die Demokratie, wenn man willfährigen NGOs Aufgaben überträgt, die ihnen nicht zukommen. Manches erinnert an unselige Zeiten: Bürger sollen Bürger denunzieren, sozusagen als systemtreue »Informelle Mitarbeiter«. Kein Wunder, dass Begriffe aufkommen wie »DDR 2.0«. Schwache Politik reagiert stets unduldsam auf unbequeme Kritik. Man droht mit einem »starkem Staat« – und der schießt inzwischen mit Kanonen auf Spatzen. In Redaktionen ist es inzwischen keine Frage nach dem Honorar: »Was kriegt man für einen politischen Witz?« Die Antwort lautet: »Sieben Monate auf Bewährung!« Es entsteht der Eindruck, die Politik wolle die Kontrolle über unser aller Meinungsbildung. Das alles muss einem Angst machen. Oder soll es gar?
Wahrheit, Wahrhaftigkeit – wo findet man sie noch? »Die Wahrheit is‘ auf’m Platz«, meinen Fußballexperten. Dort dauert es aber oft nur Minuten, schon reklamieren die einen: »Klarer Elfer!« während die anderen behaupten, dass eindeutig der Ball gespielt worden sei (ja, gut, auch ein bisschen Schienbein). Und derweil sich alle um »ihre« Wahrheit streiten, gibt der Schiri Abseits.
Es gibt die Wahrheit zur Unzeit, etwa als Galileo Galilei behauptete, die Erde bewege sich um die Sonne und nicht umgekehrt. Falsche Zeit – der Glaube herrschte noch über den Verstand. Bevor die Kirche ihm deswegen Feuer unter seinem Allerwertesten machte, ließ Galilei die Erde in Gottes Namen und wider besseres Wissen dann doch weiter das Zentrum des Universums sein. Aber sie bewegt sich doch – die Erde, nicht die Kirche.
Halbe Wahrheiten, sagt man, sind die schlimmste Form der Lüge. Wobei man sagen muss, dass Unwahrheit nicht gleich Lüge ist. Das Gegenteil von Wahrheit kann Lüge sein, muss aber nicht. Lügen tut nämlich nur, wer bewusst die Unwahrheit sagt. Macht man das unbewusst, ist man lediglich dämlich. Aber das ist nicht justiziabel. Wahrhaft ein Glück für Politiker. Obwohl, die sind sowieso immun.
Sollte man ihnen überhaupt trauen? Leider ist es nicht so wie in dem Witz: »Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt?« – »Seine Lippen bewegen sich!« Karl Lauterbach – Sie erinnern sich, der mit den Corona-Papers – gestand ein, Wahrheit sei der politische Tod! Sind Politiker schon deshalb zur Lüge verdammt? Darf man uns Bürgern die Wahrheit zumuten oder muss man uns schonen? Schließlich war ich schon höchst irritiert, als man mir in der Hochzeitsnacht offenbarte, dass der Klapperstorch nicht die Kinder bringt!
Es gäbe noch viele Fragen zu Wahrheit, Moral, Anstand. Aber ernsthaft – Anstand, Moral? In der Politik? Zuviel Wahrhaftigkeit vertrüge man doch gar nicht! Oder?